Donnerstag, 26. November 2015

Mein zweiter Rehbock



Jagd ist eine Beschäftigung, zu deren Ausübung man viel Geduld benötigt.
Nicht selten ereignen sich frustrierende Momente, und der ach so entspannte Abend füllt sich mit Frust und Ärger.

So war es nicht an jenem Abend, von dem ich Euch berichten möchte, jedoch am Abend zuvor.

16. Juni 2015

Mein Freund und ich hatten einen entspannten Tag verbracht und es trieb uns nun raus, mit dem Abschussplan ein wenig vorran zu kommen.
Mein letztes Stück zuvor hatte ich Anfang Mai geschossen, und wir haben seitdem so gut wie jeden Tag angesessen.
Es war schon spät, aber wir beschlossen, uns nicht hetzen zu lassen, und noch schnell einen Abstecher zum örtlichen Fastfood-Restaurant zu machen, ehe wir in Richtung Revier fuhren.
Im Nachhinein, so sage ich ganz ehrlich, hätte ich mich dafür in den Arsch beißen können.
So fuhren wir nun, froh und glücklich, den sonnigen Tag genießen zu können, in Richtung Wald.


Ich beschloss, mich an einer Windwurffläche anzusetzen, an welcher unser Jagdkollege und Freund Christoph den Abend zuvor einen braven Rehbock ausgemacht hatte.
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass wir es schon reichlich spät hatten… Nun ja, also besonders vorsichtig sein beim Angehen.

Mit einem Waidmannsheil stieg ich aus dem Auto aus, und machte mich langsam auf, die Rückegasse bis zum Hochsitz entlang zu pirschen.
Die zu Beginn links und rechts stehenden alten Fichten lichteten sich nach einigen Metern und gaben den ersten Blick auf die Windwurffläche preis.

Andere Jäger, oder auch einfach naturverbundene Menschen, kennen den Anblick, wenn die rote, untergehende Abendsonne zwischen den Wipfeln der Bäume durchscheint und alles in ein orange-goldenes Licht taucht. Ein wunderschöner Anblick- jedoch eine trügerische Lichtsituation auf einer von Baumstumpen und Ästen übersäten Windwurffläche, auf der ich gleichfarbiges Rehwild ausmachen wollte.
So glaste ich beim angehen immer wieder aufmerksam die Freifläche vor mir ab, ging ein Stück weiter, und wiederholte den Vorgang.
Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, blieb stehen, und hob das Fernglas.
Keine 20 Meter entfernt stand links vor mir der beschriebene brave Rehbock.

Mein Herz fing an zu rasen. Ich ging sofort in die Hocke, doch es war zu spät. Scheinbar hatte jedoch etwas anderes den Bock beunruhigt, und so äugte er kurz in meine Richtung, lief noch einige Meter neben mir an mir vorbei und verschwand im Fichten-Altholz.

Hoch frustriert und mit Tränen der Enttäuschung verbrachte ich den Ansitz in Gedanken damit, mich zu fragen, wo der Bock so plötzlich her kam, und warum ich ihn nicht früher gesehen hatte. Wild habe ich den Abend keines mehr gesehen.



17. Juni 2015

Nach dem enttäuschenden Erlebnis des vorigen Abends war ich nun fest entschlossen, es heute ein wenig früher zu versuchen.
Mein Freund hatte leider keine Zeit, und so beschloss ich, mit dem mich aufmunternden Christoph den Ansitz zu verbringen. Bereits sehr zeitig hatten wir uns auf dem Hochsitz eingerichtet und Entspannung machte sich breit. Ich lehnte mich zurück und beschloss, darauf zu vertrauen, dass der Bock zu seiner festen Zeit austreten würde.
So verharrten wir eine Weile, bis gegen 20.15 Uhr mein Blick wie von selbst zur rechten Seite wanderte.
„Pssst, Christoph! Da!“, flüsterte ich, und deutete in Richtung des ausgemachten Tieres.
Merkwürdiger Weise war ich zwar sehr freudig und aufgeregt, jedoch frei von Jagdfieber und Hibbeligkeit. Hoch konzentriert und ruhiger als Buddha (zumindest habe ich mich im Vergleich zu meinem ersten Bockjagderlebnis tatsächlich ziemlich „in mir ruhend“ gefühlt :D ) legte ich auf und nahm den Bock ins Absehen meines Zielfernrohres.
Ich entsicherte, legte meinen Zeigefinger vorsichtig und bedacht auf den Abzug.
Ich atmete tief ein und aus und ließ die Kugel fliegen.
Komischerweise repetierte ich sogar direkt wie von selbst durch, keine Spur von „vor Aufregung vergessen“. Es war ein unbeschreibliches Gefühl von Freude und hoher Konzentration, als gäbe es in dieser Minute nichts anderes auf der Welt. Nur mich in dem Wald, wie ich die Büchse im Anschlag habe und den Bock im Visier.
Im Knall sprang Christoph auf, schaute durchs Fernglas.
„Er liegt!“, sagte er voller Aufregung, „Jana, Waidmannsheil, er liegt!“
Erst in diesem Moment begannen meine Finger zu zittern und ein Gefühl unglaublicher Aufregung durchströmte mich.
Tief durchatmend warteten wir eine Zigarettenlänge ab, bis wir abbaumten, um den Bock zu bergen.

Es war ein wunderschönes, stattliches Tier, mit einem starken Gehörn in sehr besonderer Form, wie ich finde. Der stärkste Bock, den ich bisher erlegt habe, und auch vorhatte.

In großer Anstrengung bargen wir das erlegte Tier über die unwegsame Windwurffläche und gaben ihm seinen letzten Bissen.

Der Moment war unbeschreiblich schön, irgendwie wie im Märchenbuch.


Ich kann nicht sagen, warum ich bei diesem Bock so unfassbar ruhig war. Bei dem Bock vorher, und auch bei den erlegten oder „beinahe erlegten“ Stücken danach, war ich bis jetzt nie mehr so ruhig und sicher in dem, was ich tue, wie an diesem Tag. Sicherlich bin ich mir auch in allen anderen Situationen sicher, das richtige Tier zu erlegen, aber an diesem Tag war es bisschen das Gefühl, dass ich genau dort hingehörte. Das klingt vielleicht ein bisschen kitschig, aber das Gefühl dieses Jagderlebnisses hat mir klar gemacht, dass sich die Strapazen des Jagdscheins, Streitgespräche mit Mitjägern oder Jagdgegnern, frustrierende Phasen, in denen man mit kalten Füßen als Schneider nach hause fährt, lohnen.
Für mich war dieses Bockjagderlebnis irgendwie ein Schlüsselereignis.  

Ich bin unglaublich und unfassbar dankbar, dass ich das erleben darf und durfte!




.308 Hornady GMX
ca. 180m Schussentfernung
Keine Todesflucht

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