Jagd ist eine Beschäftigung, zu deren Ausübung man viel
Geduld benötigt.
Nicht selten ereignen sich frustrierende Momente, und der
ach so entspannte Abend füllt sich mit Frust und Ärger.
So war es nicht an jenem Abend, von dem ich Euch berichten
möchte, jedoch am Abend zuvor.
16. Juni 2015
Mein Freund und ich hatten einen entspannten Tag verbracht
und es trieb uns nun raus, mit dem Abschussplan ein wenig vorran zu kommen.
Mein letztes Stück zuvor hatte ich Anfang Mai geschossen,
und wir haben seitdem so gut wie jeden Tag angesessen.
Es war schon spät, aber wir beschlossen, uns nicht hetzen zu
lassen, und noch schnell einen Abstecher zum örtlichen Fastfood-Restaurant zu
machen, ehe wir in Richtung Revier fuhren.
Im Nachhinein, so sage ich ganz ehrlich, hätte ich mich dafür in den
Arsch beißen können.
So fuhren wir nun, froh und glücklich, den sonnigen Tag
genießen zu können, in Richtung Wald.
Ich beschloss, mich an einer Windwurffläche anzusetzen, an
welcher unser Jagdkollege und Freund Christoph den Abend zuvor einen braven
Rehbock ausgemacht hatte.
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass wir es
schon reichlich spät hatten… Nun ja, also besonders vorsichtig sein beim Angehen.
Mit einem Waidmannsheil stieg ich aus dem Auto aus, und
machte mich langsam auf, die Rückegasse bis zum Hochsitz entlang zu pirschen.
Die zu Beginn links und rechts stehenden alten Fichten
lichteten sich nach einigen Metern und gaben den ersten Blick auf die Windwurffläche
preis.
Andere Jäger, oder auch einfach naturverbundene Menschen, kennen den Anblick, wenn die rote, untergehende Abendsonne zwischen den Wipfeln
der Bäume durchscheint und alles in ein orange-goldenes Licht taucht. Ein
wunderschöner Anblick- jedoch eine trügerische Lichtsituation auf einer von
Baumstumpen und Ästen übersäten Windwurffläche, auf der ich gleichfarbiges
Rehwild ausmachen wollte.
So glaste ich beim angehen immer wieder aufmerksam die
Freifläche vor mir ab, ging ein Stück weiter, und wiederholte den Vorgang.
Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, blieb
stehen, und hob das Fernglas.
Keine 20 Meter entfernt stand links vor mir der
beschriebene brave Rehbock.
Mein Herz fing an zu rasen. Ich ging sofort in die Hocke,
doch es war zu spät. Scheinbar hatte jedoch etwas anderes den Bock beunruhigt,
und so äugte er kurz in meine Richtung, lief noch einige Meter neben mir an mir
vorbei und verschwand im Fichten-Altholz.
Hoch frustriert und mit Tränen der Enttäuschung verbrachte
ich den Ansitz in Gedanken damit, mich zu fragen, wo der Bock so plötzlich her kam, und warum ich ihn nicht früher gesehen hatte. Wild habe ich den Abend
keines mehr gesehen.
17. Juni 2015
Nach dem enttäuschenden Erlebnis des vorigen Abends war ich
nun fest entschlossen, es heute ein wenig früher zu versuchen.
Mein Freund hatte leider keine Zeit, und so beschloss ich, mit dem mich aufmunternden Christoph den Ansitz zu verbringen. Bereits sehr
zeitig hatten wir uns auf dem Hochsitz eingerichtet und Entspannung machte
sich breit. Ich lehnte mich zurück und beschloss, darauf zu vertrauen, dass der
Bock zu seiner festen Zeit austreten würde.
So verharrten wir eine Weile, bis gegen 20.15 Uhr mein Blick wie
von selbst zur rechten Seite wanderte.
„Pssst, Christoph! Da!“, flüsterte ich, und deutete in Richtung
des ausgemachten Tieres.
Merkwürdiger Weise war ich zwar sehr freudig und aufgeregt, jedoch
frei von Jagdfieber und Hibbeligkeit. Hoch konzentriert und ruhiger als Buddha
(zumindest habe ich mich im Vergleich zu meinem ersten Bockjagderlebnis
tatsächlich ziemlich „in mir ruhend“ gefühlt :D ) legte ich auf und nahm den
Bock ins Absehen meines Zielfernrohres.
Ich entsicherte, legte meinen Zeigefinger vorsichtig und
bedacht auf den Abzug.
Ich atmete tief ein und aus und ließ die Kugel fliegen.
Komischerweise repetierte ich sogar direkt wie von selbst durch, keine Spur von „vor Aufregung vergessen“. Es war ein
unbeschreibliches Gefühl von Freude und hoher Konzentration, als gäbe es in
dieser Minute nichts anderes auf der Welt. Nur mich in dem Wald, wie ich die
Büchse im Anschlag habe und den Bock im Visier.
Im Knall sprang Christoph auf, schaute durchs Fernglas.
„Er liegt!“, sagte er voller Aufregung, „Jana, Waidmannsheil,
er liegt!“
Erst in diesem Moment begannen meine Finger zu zittern und
ein Gefühl unglaublicher Aufregung durchströmte mich.
Tief durchatmend warteten wir eine Zigarettenlänge ab, bis
wir abbaumten, um den Bock zu bergen.
Es war ein wunderschönes, stattliches Tier, mit einem
starken Gehörn in sehr besonderer Form, wie ich finde. Der stärkste Bock, den
ich bisher erlegt habe, und auch vorhatte.
In großer Anstrengung bargen wir das erlegte Tier über die
unwegsame Windwurffläche und gaben ihm seinen letzten Bissen.
Der Moment war unbeschreiblich schön, irgendwie wie im
Märchenbuch.
Ich kann nicht sagen, warum ich bei diesem Bock so unfassbar
ruhig war. Bei dem Bock vorher, und auch bei den erlegten oder „beinahe
erlegten“ Stücken danach, war ich bis jetzt nie mehr so ruhig und sicher in dem,
was ich tue, wie an diesem Tag. Sicherlich bin ich mir auch in allen anderen
Situationen sicher, das richtige Tier zu erlegen, aber an diesem Tag war es
bisschen das Gefühl, dass ich genau dort hingehörte. Das klingt vielleicht ein
bisschen kitschig, aber das Gefühl dieses Jagderlebnisses hat mir klar gemacht,
dass sich die Strapazen des Jagdscheins, Streitgespräche mit Mitjägern oder
Jagdgegnern, frustrierende Phasen, in denen man mit kalten Füßen als Schneider
nach hause fährt, lohnen.
Für mich war dieses Bockjagderlebnis irgendwie ein
Schlüsselereignis.
.308 Hornady GMX
ca. 180m Schussentfernung
Keine Todesflucht
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